Nachfolgeregelung mit Frauenpower

Modelle mit Teilzeitpensen haben bei zwei traditionsreichen Bauunternehmen zu erfolgreichen Lösungen geführt – mit Frauen. 

 

In der über 100-jährigen Firmengeschichte hat die Büchi Bauunternehmung AG schon viele prestigereiche Projekte realisiert, etwa die Erneuerung des Bundeshauses. Aktuell führt das Unternehmen die Sanierung der Nationalbank aus. In der dreiköpfigen Geschäftsleitung verantwortet Bettina Büchi, Teil der dritten Generation des Familienunternehmens, die administrative Leitung der Firma. Der Verwaltungsrat wird seit dem 1. Juni 2022 von ihrer Cousine Franziska präsidiert. Die drei Schwestern von Bettina und Franziska stehen als Aktionärinnen hinter dem Unternehmen.

 

Familie oder Familie – für die Betriebsökonomin FH Bettina Büchi stellte sich diese Frage nicht. Die 33-jährige Mutter einer kleinen Tochter leitet in einem 50-Prozent-Pensum ein siebenköpfiges Team. So kann sie beides haben, die eigene Familie und die wichtige Rolle im Familienunternehmen. «Es ist schön, zu wissen, dass ich im Betrieb Entscheide nicht nur für jetzt fälle, sondern auch für die nächste Generation. Es ist ein grosses Privileg, im Namen der Familie tätig sein zu dürfen.» So gerne sie heute im Familienunternehmen ist, war ihr Weg dorthin nicht vorgezeichnet. «Es ist wichtig, dass vom Elternhaus kein Druck kommt, ins Familienunternehmen einzusteigen», betont sie. Entsprechend absolvierte sie zuerst eine Ausbildung als medizinische Praxisassistentin, bevor sie in einer Liegenschaftenverwaltung Karriere machte. Dies komme ihr bei der Büchi Bauunternehmung AG, neben ihrer Ausbildung, zugute. Sie schätze zudem das Vertrauen der Familie.

 

Mut und Engagement

Ihre Tätigkeit trat Bettina Büchi zu Beginn der Pandemie an, im Moment bemerkt sie, dass Bauherren verunsichert sind, weil der Ukraine-Krieg zu höheren Baumaterialpreisen geführt hat. Als Frau gelinge es ihr allenfalls besser als Männern, mit Feingefühl das Gespräch mit den Kundinnen und Kunden zu suchen um gemeinsam Lösungen zu finden, gibt sie zu bedenken. Allerdings hätten schon ihr Grossvater und Vater schwierigere Zeiten erleben müssen. «Es braucht mutige Entscheidungen», ist sie überzeugt. Auch zugunsten anderer: Im Jahr 2020 erbrachte das KMU im Rahmen seines 100-Jahres-Jubiläum Gratis-Bauleistungen im Wert von 250 000 Franken. Davon profitierten das Schweizerische Blindenmuseum in Zollikofen sowie die Alterssiedlung Zähringer in Bern.

 

Jobsharing

Mit Lynn Burkhard und Beat Müller führt bei der Stutz AG seit 2021 bereits die fünfte Generation die Geschäftsführung. Das grosse Ostschweizer Bauunternehmen, das schon bei vielen zentralen Bauprojekten wie dem Ausbau der Zürcher Nordumfahrung mit von der Partie war, hat seither erstmals eine Doppelführung – und die ist insofern speziell, als Lynn Burkhard und Beat Müller ein Ehepaar sind. Beat Müller betont die Vorteile des Job-Sharing-Modells: «Wichtige Entscheidungen können vorgängig untereinander diskutiert werden und sind somit breiter abgestützt. Dabei können durch die unterschiedlichen Kompetenzen auch persönliche Schwächen ausgeglichen werden. Durch die Diskussion untereinander wird immer auch noch eine zweite Sichtweise miteingebracht. Zudem diskutieren beide Ehepartner bei privaten wie auch geschäftlichen Themen auf Augenhöhe.» Es gebe aber auch Nachteile, etwa die Gefahr von Doppelspurigkeiten, was einen erhöhten Kommunikations- und Abstimmungsbedarf nach sich ziehe. Zudem ergebe sich eine Mischung des Privat- und Geschäftslebens. Dies sei aber bei einer Familienunternehmung ohnehin häufig der Fall.

 

Eigener Weg

Beat Müller führt aus, dass es für ihn nach dem Studium und in den ersten Berufsjahren nicht klar war, ob er in die Stutz AG eintreten wolle. Damals hätten er und seine Frau in einem Ingenieurbüro gearbeitet. «Grundsätzlich wären für uns beide der weitere Weg in einem Ingenieurbüro in Frage gekommen. Der Entscheid ist langsam in den gemeinsamen Gesprächen gereift. Dass wir uns gemeinsam in das eigene Familienunternehmen einbringen können, empfinden wir als ausserordentliches Privileg. Es spornt uns tagtäglich an!»

Beat Müller denkt nicht, dass sich Bauunternehmen grundsätzlich anders auf die Nachfolgelösung vorbereiten müssen als branchenfremde Firmen. «Jede Lösung ist doch sehr individuell, da alle Familienunternehmen ihre Besonderheiten haben und sich durch diese ja auch auszeichnen. Natürlich hilft es, wenn der Nachfolgeprozess frühzeitig geplant und angegangen werden kann. Ebenfalls empfinden wir es als wichtig, wenn sich die Beteiligten den verschiedenen Rollen, welche sie Inne haben, bewusst sind. Denn eine komplette Trennung zwischen Familie und Unternehmung ist häufig nicht möglich.»

Die Stutz AG ist unter anderem für ihre vorbildliche Nachwuchsförderung bekannt. Ein Video dazu finden Sie hier:

 

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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